Sie haben ihre Galerie am unteren Spalenberg vor fast 50 Jahren gegründet und präsentieren ihre Kunst noch immer frisch wie am ersten Tag. Seit Beginn gehört zu ihrem Konzept eine Buchhandlung für Kunst, Architektur, Fotografie und Künstlerbüchern, dies nebst ihren Ausstellungen von hochrangigen Künstlerinnen und Künstlern in ihren Galerieräumen.
Quartierverein Innerstadt (QV): Wann habt ihr die Galerie eröffnet und wie habt ihr die Räume am Spalenberg gefunden?
Gilli Stampa (GS): Die Räume haben wir im September 1968 gemietet und haben alles selbst renoviert zusammen mit Freunden und Kollegen. Eröffnet haben wir im 1969.
Diego Stampa (DS): Auf der Suche nach geeigneten Räumen habe ich entdeckt, dass diese Räume am Spalenberg leer standen. Der Besitzer war dann bereit, uns die Räume auf längere Zeit zu vermieten.
QV: Wieso seid ihr Galeristen geworden?
GS: Also wir haben uns zu der Zeit gar nicht als Galeristen definiert. Wir haben uns mehr allgemein für das Kulturelle und eben auch Kunst interessiert. Wir haben eher gesucht, wie wir unser Leben gestalten wollten und das hat sich dann als im Bereich der Kunst und Kultur herauskristallisiert. Da hat der Zeitgeist auch eine Rolle gespielt.
DS: In den 68er Jahren wurde der Galerist bei den jungen Leuten eher als etwas Kommerzielles betrachtet. Deshalb haben wir den Bereich, wo wir aktiv waren, eher etwas weiter gefasst, also nebst Kunst auch Musik und Kunstbücher geführt. Also Buchhandlung, Vorträge und auch politische Diskussionen.
GS: Da haben auch gesellschaftliche Veränderungen stattgefunden zu der Zeit, z.Bsp. der Beginn der Frauenbewegung, wo ich auch dabei war; da kamen so viele Sachen zusammen. Und das war auch unser Antrieb. Zu der Zeit war es aber auch noch finanziell machbar, dass man solche Räume überhaupt mieten und zahlen konnte.
QV: Was macht eine Galerie noch anderes als Kunst verkaufen?
GS: Wir haben immer auch schon die Zeitgenössische Musik integriert gehabt in unserem Programm. Wir realisierten mit dem Phönix Ensemble Basel Projekte, die bei uns stattfanden. Es gab Uraufführungen der “Stampa Repetitionen”, die speziell dafür komponiert wurden . Die Zusammenarbeit mit dem Musikladen “Plattfon” ist dann 2009 entstanden.
DS: Wir hatten ja auch Schallplatten, wodurch wir Musik von John Cage und Laurie Anderson im Sortiment hatten. Auch Musikkassetten haben wir angeboten.
GS: Wir haben auch von Anfang an mit Künstlerinnen und Künstlern zusammengearbeitet die mit Video gearbeitet hatten. Dies, und alles was „medial“ war, war zu dieser Zeit natürlich neu und wurde als Kunstform noch skeptisch beäugt. Auch die Performance war ein wichtiger Teil unseres Programms.
Um zurückzukommen: Was macht eine Galerie, ausser Kunst zu verkaufen? Wir vertreten unsere Künstlerinnen und Künstler permanent, wir organisieren Ausstellungen, wir betreiben ein Archiv, wir beteiligen uns an Katalogen, wir vermitteln Kunst, wir beraten Leute und Firmen. Wir organisieren den Austausch Sammler-Künstler. Wir haben Auftritte an Messen. Hier in der Galerie haben wir tägliche Oeffnungszeiten wo wir angesprochen werden können. Wir haben also einen riesigen Bereich an Leistungen die wir für unsere Künstlerinnen und Künstler erbringen.
QV: Wird man reich dabei?
DS: Ja.
GS: Und nein.
DS: Zuerst: Ja, das bedeutet für uns eigentlich, schuldenfrei zu sein. Wir haben schon am Anfang breit gefächert angefangen z.B. mit Büchern. Wir hatten auch durch unser System viele Besucher und Kunden. Das hat durch das Internet jetzt etwas nachgelassen. Wir konnten auch immer unsere Künstler auszahlen bei Verkäufen. Und wir haben auch selbst Geld hereingebracht für unsere Ausgaben am Anfang. Natürlich denken alle, dass man reich wird wenn man die Preise der Bilder von berühmten Künstlern hört. Aber diese Händler waren vorher schon reich und werden dann noch reicher.
GS: Man meint damit natürlich den reinen Kunsthandel, wo nur Millionenbeträge herumgeschoben werden. Aber wir machen hier ja noch was anderes. Wir handeln auch mit Kunst, aber wir haben eine Infrastruktur, einen öffentlichen Raum mit Ausstellungen wo jede Person sich beteiligen kann, gratis hereinkommen, alles anschauen und wieder gehen kann. Und manchmal bedanken sich die Leute sogar. Im Weiteren finanzieren wir Messen, wo wir die Künstler einem internationalen Publikum präsentieren, wir haben Personal, wir finanzieren teilweise Produktionen von Künstlern mit, machen Ankäufe. Wir sind trotzdem unabhängig, bekommen also keine öffentlichen Gelder.
DS: Wir haben 2006 den Kulturpreis der Stadt Basel bekommen, 25’000 Franken. Ein Teil davon haben wir dann für ein Fest in der Bodega mit 70 Leuten ausgegeben, das ging bis am Morgen um 5 Uhr.
QV: Es gibt Leute, die sagen sie verstehen die heutige Kunst nicht mehr. Versteht ihr sie?
DS: Ja.
GS: Und nein.
GS: Natürlich versteh ich, wenn jemand sagt, das kann ich auch oder das kann mein Kind auch. Aber Kunst verstehen ist auch ein stetiger Lernprozess. Da kommt man nicht dran vorbei; das ist wie bei vielen Dingen, sei es Sport oder X-was, man muss sich zuerst kundig machen. Es ist auch ein Lernprozess des Sehens, man verfeinert das Wahrnehmungsvermögen. Und viele Leute sind nicht bereit dazu und finden es nicht notwendig, das zu erbringen. Aber es berechtigt sie nicht, über Kunst zu schnöden.
DS: Die „Notwendigkeit“ fehlt natürlich bei den meisten Leuten. Biologie oder Physik findet man eher nötig und das ist auch näher beim Kommerziellen. „Kunst verstehen“ ist aber freiwillig und scheinbar nicht nötig fürs Leben in der Gesellschaft.
GS: Kunst ist aber etwas, das öffentlich sehr gut zugänglich ist. Es gibt z.B. in Basel viele öffentliche Kunstinstitutionen. Dieser Lernprozess ist für jeden zugänglich, ob arm oder reich, falls er es will. Die Leute finden es dann aber nicht so notwendig. (Zu Diego): Was hast du noch gemeint mit „Luxus ist einfacher“?
DS: Viele sagen ja: Kunst ist Luxus. Aber „Prada“ ist natürlich auch Luxus. Aber für mich ist der Mode- oder Automobil-Luxus halt einfacher zu verstehen als der Kunst-Luxus.
QV: Manchmal muss man ein Kunstwerk ja auch nicht gleich sofort verstehen. Man kommt dann darauf zurück und dann beginnt ein Lernprozess und mit der Zeit versteht man das Werk immer besser.
DS: Man kann sich auch irren. Man findet ein Werk plötzlich nach Jahren nicht mehr so gut, aber andere Leute fangen, an es zu mögen. Es ist eigentlich eine offene Situation.GS: Es gibt ja auch nicht nur eine Meinung. Man muss sich dann auch mal auf eine neue Welt einlassen. Da ist zum Beispiel die jetzige Ausstellung bei uns mit der Welt von General Idea etwas ganz anderes als die Werke von Vivian Suter im hinteren Raum mit der Malerei. Man ist eigentlich immer gefordert, aber es macht auch Spass.
QV: Wie entscheidet ihr ob Ihr ein Werk oder eine Künstlerin oder einen Künstler aufnehmt?
GS: Wir nehmen jemand auf, der oder die eine eigenständige künstlerische Position vorweisen kann. Auch wie jemand über seine Arbeit spricht spielt eine Rolle. Wir meinen, dass wir das mit unserer langen Erfahrung schon einschätzen können. Dann muss der Künstler/die Künstlerin auch in unser langjähriges Programm passen. Und man muss sich auch mögen, und kommunizieren können.
DS: Und es gibt auch Ablösungen. Dass man sich wieder trennt oder Künstler die abgeworben werden, weil sie plötzlich berühmt wurden. Das ist bei uns auch passiert. Deshalb nehmen wir auch wieder jüngere Leute herein, so ab 30 bis 35 Jahre alt, damit wir diese Abgänge verkraften können.
Link zur Galerie Stampa:
www.stampa-galerie.ch