Das interview des Monats: Wildpflanzenmarkt auf dem Andreasplatz mit Susi Rüedi

QV-innerstadt (QV): Bitte erzähle etwas über die Anfänge.

Susi Rüedi (SR): Ich habe damals am Andreasplatz gewohnt, im einzigen nichtluxuriös renovierten Haus. Ich bin da 1985 als Biologiestudentin eingezogen, zusammen mit andern Biologiestudenten. Es war Schweizerhalle- und Tschernobyl-Zeit und ich war engagiert in den verschiedenen Bürgergruppierungen. Der Verein Oekostadt hat mir dann besonders zugesagt und zwar weil man nicht gegen, sondern für etwas war. Also man hat nicht gegen die bösen Chemiefirmen gekämpft, sondern hat andere Lebensformen gesucht und hat sich für eine lebendige Stadt engagiert. Damals gab es noch kein Tempo-30, keine Glassammelstellen und kein gemeinsames Kompostieren. Da wurde auch von unten her etwas an die Stadtverwaltung herangetragen, das neu war, und auch in der Kommunikation hat man da vorwärts gemacht. Im Vorstand von Oekostadt waren auch die Professoren Gunther Wolff und Danilo Clamer; das waren Leute, die sehr auf Dialog gesetzt haben. Das war neu für die Verwaltung.

QV: Und wie bist du auf Wildpflanzen gestossen?

SR: Ich habe jeweils im Botanischen Garten gebettelt für überzählige Setzlinge und die gesammelt. Dann habe ich während meinen Velotouren für die Diplomarbeit das eine oder andere Pflänzlein mitgenommen direkt aus der Natur, habe es zu Hause eingetopft und das ist alles sehr gut gewachsen.
Als frisch gebackene diplomierte Biologin habe ich überlegt, ob ich etwas mit Wildpflanzen tun könnte anstatt mit holländischem Treibhausgrün. Ich habe dann aus eigener Initiative diesen Wildpflanzenmarkt angefangen und habe ihn im ersten Jahr in vier verschiedenen Quartieren abgehalten. Einen ganzen Monat war ich so unterwegs, eine Woche Tellplatz, eine Woche Allschwilerplatz, eine Woche Sankt Johann und eine Woche Matthäusplatz im Kleinbasel. Es war anstrengend, aber toll. Ich hatte da ein sehr kleines Sortiment mit drei Wagen mit 40 Arten Pflanzen darauf und ein paar Gewürzpflanzen. Dann wurde ich schwanger und da überlegte ich: wie mache ich das, einen ganzen Monat auch mit dem Kind unterwegs zu sein? Es war aber so, dass der Markt gleich von Anfang an ein Erfolg war.
Da dachte ich, ich könnte diesen Markt ja direkt vor der Haustüre auf dem Andreasplatz abhalten. Seither gibt es diesen Markt hier auf dem Andreasplatz. Also im zweiten Jahr habe ich ein 4 Monate altes Buschi an den Rücken geschnallt und habe diesen Markt einfach durchgezogen. Und jedes Mal wenn meine Mutter kam zum Hüten und das Kind musste in die Wohnung, hat es angefangen zu schreien; es war lieber draussen (lacht). Und so ist der Markt kontinuierlich gewachsen; wir sind jetzt ein Team von Landschaftsarchitektinnen, Gärtnerinnen und Biologinnen die diesen Markt schmeissen. Mit uns gewachsen sind die Lieferanten, unter anderen die Gärtnerei am Hirtenweg in Riehen, die es ohne uns wahrscheinlich kaum mehr geben würde.

QV: Was machst du, wenn du nicht Marktfrau bist?

SR: Ich selbst bin Biologielehrerin, habe das Thema Pflanzen schon lange in mein Tätigkeitsfeld aufgenommen. Ich habe während 20 Jahren für die Waldschule Basel Waldexkursionen durchgeführt. Ich habe auch während 15 Jahren Kindergärten und Schulen beraten, wie sie ihre Umgebung natürlich und naturnah gestalten können. Ich war da viel in kleinen Gemeinden unterwegs, in Basel-Stadt gibt es ja Behörden für das. Auch die Stadtgärtnerei in Basel konnten wir positiv beeinflussen. Als Emmanuel Trueb als Leiter der Stadtgärtnerei ganz jung ins Amt kam, hatten wir ihn hier, an meinem Küchentisch damals am Andreasplatz zum Kaffee eingeladen und haben mit ihm über Wildpflanzen debattiert. Die Stadtgärtnerei Basel war da immer sehr fortschrittlich; heute werden in den öffentlichen Rabatten Wildpflanzen gepflanzt. Das war damals noch nicht üblich. Es ist auch kostengünstiger als Wechselflor.
Bei mir selbst ist es jetzt so, dass meine Beine mich nicht mehr so weit tragen. Ich bin mit 21 Jahren unter ein Auto geraten und deshalb konzentriere ich mich jetzt mehr auf die Schule und arbeite in der Schule, statt in der ganzen Welt und im Wald herumzukraxeln. Beim Wildpflanzenmarkt kann ich natürlich vor allem im organisatorischen Bereich mitwirken, ich bestelle die Pflanzen und organisiere die Leute. Den Wildpflanzenmarkt gibt es mittlerweile schon stur seit 30 Jahren.

QV: Dann könnt ihr also dieses Jahr ein Jubiläum feiern?

SR: Ja, so ist es.

QV: Gab es nicht auch mal einen Wildpflanzenmarkt in Liestal?

SR: Ja, als unser Markt am Anfang so gut lief, haben wir auch mal nach Liestal expandiert. Da waren wir eine Woche in Liestal und zwei Wochen in Basel unterwegs. Aber für mich als junge Mutter und Lehrerin und mit Gehbehinderung war das sehr anstrengend. Ich habe dann Pro Natura angefragt und seither machen sie das sehr gut weiter in mehreren Gemeinden in der Umgebung von Liestal. Sie nehmen mit eintägigen Ständen an Dorfmärkten teil, obwohl das dann ein relativ grosser Aufwand ist. Deshalb sind wir hier auch 14 Tage am Stück.

QV: Eure Lieferanten sind verschiedene Gärtnereien?

SR: Ja, da ist die Bio-Gärtnerei Hirtenweg in Riehen. Da bekommen wir viele mehrjährige Wildstauden und sie liefern die Küchenkräuter. Dann haben wir die Baumschule Bauer in Bottmingen mit einheimischen Sträuchern. Wir haben auch Kletterpflanzen aus ausländischen Florengebieten, dies aus ästhetischen Gründen, wie zB die Glyzinie, eine Pflanze die ursprünglich aus China kommt, oder wilder Wein, der aus Nordamerika stammt. Wir können nicht gut nur «Nielen» (gemeine Waldrebe) aus unserem Wald anbieten, wenn jemand eine Kletterpflanze sucht. Dann haben wir noch Samen von der Samengärtnerei Zollinger, eine Bio-Gärtnerei am Genfersee. Früher habe ich noch Samen spät abends selbst in Briefchen abgefüllt.

QV: Wie sieht die Zukunft aus?

SR: Ja, das geht sicher vorläufig so weiter, also nochmals 30 Jahre (lacht). Ich muss sagen, wir haben auch eine grossartige Unterstützung von der Stadtgärtnerei. Sie schicken uns Lehrlinge, die hier ihr sogenanntes «Verkaufspraktikum» machen können. Es hat immer so tolle junge Leute dabei, die sich da mit den verschiedenen Pflanzenarten und den Preisen und alles ohne Taschenrechner metzgen müssen und die machen das super gut. Auch wenn mich meine Beine mal nicht mehr so gut tragen werden, kann der Wildpflanzenmarkt auf ein grosses, kompetentes Team zählen.

Der Wildpflanzenmarkt ist noch bis Samstag 11. Mai auf dem Andreasplatz; jeweils von 10 bis 18 Uhr.

3 Gedanken zu „Das interview des Monats: Wildpflanzenmarkt auf dem Andreasplatz mit Susi Rüedi

  1. Guten Tag Frau Rüedi,
    Ich habe zusammen mit Michael die Lehre als Mechaniker gemacht. Wir wollten nach der Lehre die Matura an der AKAD absolvieren. Wir haben deswegen gemeinsam mit seinem Vater gesprochen, der wohl andere Pläne hatte …
    Schlussendlich ist er an`s Konsi gegangen und ich an die AKAD.
    Ich bin seit 40-ig Jahren nicht mehr in Basel, habe so quasi aus nostalgischen „Gründen“ die BAZ abonniert, wo ich die Todesanzeige von Michael gesehen habe.
    Ich konduliere aufrichtig, gerne hätte ich mich wieder einmal mit Michael ausgetauscht …
    Herzlich Beat Spirgi

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